Wohnen wie im Märchen

Wer sagt, dass Häuser viereckig sein müssen? In unseren Kindheitsphantasien waren sie nur zu gerne verwunschene Baumhöhlen. Das „EinBaumHaus“ vom Team um den Kärntner Baumkünstler Wolfgang Lackner vereint den Zauber von einst mit dem Anspruch des Jetzt.

Gesichts- und seelenlose Schachtelbauten, am Reißbrett in Einheitsbauweise konstruiert, billigst ausgestattet, weil nie für den Eigenbedarf konzipiert. Finanziert von gewinnorientierten Investoren, gekauft von parifizierten Anlegern, was das ganze zementiert – und damit ein ewiges Mahnmal der Hässlichkeit. „Wie viele Touristenregionen wollen wir noch damit verschandeln?“ fragt Lackner und zieht das Tuch über seinem Modell weg. Weltpremiere. Das erste EinBaumHaus. Eine Mischung aus Hobbit- und Baumhaus, ein wahrgewordener Traum aus dem Land der Fantasie. Selbstverständlich ökologisch, nachhaltig und ressourcenschonend. Ein „Low-ImpactHaus“, das am Ende seiner Lebenszeit von mindestens 100 Jahren sogar kompostiert werden kann.

Die ästhetische Inspiration dazu stammt von dem walisischen Aussteiger Simone Dale, Lackner entwickelte daraus ein Konzept, das modernsten Anforderungen in Sachen Technologie und Komfort entspricht: Regionale, rein biologische Materialien und Upcycling-Objekte werden möglichst minimal bearbeitet und hochwertig verbaut.

Konstruktiv bringen ein Hebelstabwerk und ein neuartiger Grundriss wirklich außergewöhnliche Lösungen. Berindetes Holz, Wände aus Lehm und Stroh, das Dach, ein hölzernes Stabwerk ähnlich einem 360-Grad-Fächer, bedeckt mit der Wiese, die vorher dort wuchs. Alle Materialien stammen aus der Umgebung, Möbel aus umliegenden Dachböden oder von Kunsttischlern der Region maßgefertigt. Gerade Wände und Winkel sucht man vergeblich dank „Seilwurfgrundriss“. „Wirft man ein aufgewickeltes Seil auf den Boden, bilden die ineinanderlaufenden Schlingen die Räume“, so Lackner. Sogar geschlafen wird nicht in eckigen Betten, sondern in Kokons. Kindheitsträume.

Das EinBaumHaus durchbricht nicht nur Gesetze der Quadratur, sondern öffnet auch neue Prozesse, ähnlich der Nachbarschaftshilfe: „Crowdworking“. „Jeder darf mittun und Ideen, Fähigkeiten, Materialien in seinem Rahmen mit einbringen, so dass jedes Haus am Ende das Gemeinschaftsprodukt aller ist“, erklärt der Architekt, „das EinBaumHaus soll für und mit Menschen gebaut werden. Und das Wissen geben wir frei für alle, die sich privat ein EinBaumHaus bauen wollen“. So wird das erste Haus über Crowdfunding finanziert. Denn das gesamte Team arbeitet bisher ohne Bezahlung. Wer also mehr über diese revolutionäre Art des Bauens wissen will, aber keine Gelegenheit hat, selbst Hand anzulegen, kann sich mit einer Spende auf der Plattform startnext.com beteiligen. Als Gegenwert für die eingebrachte Leistung gibt es Wohnzeit, Workshops, Modellbausätze oder einfach eine Führung im fertigen Haus. Das – je nachdem, wie groß die Resonanz ist – ein minimalistischer Rückzugsort oder eine Vier-Sterne-Unterkunft wird. Und woher nimmt das EinBaumHaus seinen Namen? Ein kleines EinBaumHaus kann – unter Verwendung all seiner Bestandteile – aus einem einzigen Baum gebaut werden. Und wer Phantasie hat, kann im Logo statt „Ein-BaumHaus“ auch „Ein-Traumhaus“ sehen“, grinst der Architekt und überlässt das Modell der staunenden Menge.

BAUKÜNSTLER WOLFGANG LACKNER ANTWORTET

Wie kam es zu der Idee, Gäste im EinBaumHaus zu beherbergen?

Das EinBaumHaus ist eine ganz besondere und neue Form des Bauens und Wohnens. Es wäre schade, wenn die ersten Gebäude auf Privatgrundstücken entstünden und damit nicht der Öffentlichkeit zugänglich wären. Möglichst viele Menschen sollen sehen, dass wir der Verschachtelung des Lebens auch entkommen können.

Das Baumhaus erinnert an den Film „Herr der Ringe“. War dies beabsichtigt?

Das EinBaumHaus bezieht sich auf den Traum jedes Menschen – sich selbst ein Refugium zu schaffen. Seine Erscheinung orientiert sich an diesem Traumbild und überwindet mit simplen und funktionellen Materialien und Details die als normgerecht hingenommene gebaute Verkrampfung. Die Formensprache folgt demnach der Idee eines handwerklich begabten Aussteigers, der sich im Wald sein eigenes Haus baut.

Wieso genau am Weissensee und wo ist der Standpunkt geplant?

Es gibt keine passendere Region als die Naturarena. Wir hatten das große Glück, mit Familie Morgenfurt in Oberdorf den passenden Partner zu finden. Wir sind uns einig, dass etwas Neues zwar Unwägbarkeiten birgt, mit dem unternehmerischen Weitblick daraus aber großartige Dinge entstehen können. Überhaupt leben in dieser Region erstaunlich offene und auch findige Köpfe, die neue Impulse mittragen und damit dieser Region das Fundament für eine tolle Positionierung bescheren.

Was steckt hinter dem Konzept?

In 20 Jahren wird die Entsorgung eines thermisch sanierten 60er-Jahre-Hauses etwa 50.000 Euro kosten. Die Materialien des EinBaumHauses hingegen können zu 90 Prozent von Ihrem eigenen Grund und Boden kommen und nach dem Entfernen der Gläser und Installationen wieder zu ihm zurückkehren. Und wenn Sie drauf aufpassen, denken Ihre Nachfahren am Kamin noch in 300 Jahren an Sie.

Wann wird das EinBaumHaus voraussichtlich eröffnet? Ist auch eine Party geplant?

Im März beginnen wir in der ehemaligen Weissenseer-Halle unweit des Baugrundes mit dem Abbund des Tragwerks aus natürlichem, berindetem Holz. Bis zum Baustopp Anfang Juni werden wir mit dem Innenausbau fertig sein. Die Fernsehsender kommen dann am 26. Juni zur offiziellen Einweihungsparty, sofern durch die Bürgermeisterwahlen nicht eine Verzögerung beim Baugenehmigungsverfahren eintritt. Wir freuen uns auf eine riesige Einweihungsfete, zu der wir alle Interessierten herzlich einladen!

Was erwartet den Gast bei einer Nächtigung im ersten EinBaumHaus?

Wenn Sie mit Ihrem Schatz in der Baumkronen-Lounge unter dem Dachfenster liegen, wird Ihnen der schönste Sternenhimmel Ihres Lebens den Atem rauben.

Warum wird das Holz nach Mondphasen geschlagen?

Es gibt altes, empirisches Wissen, das wir in den letzten Jahren in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen haben. Es geht hier um die Themen Tragfähigkeit, Haltbarkeit, Brandschutz und den Schutz vor Schädlingen.

Warum überhaupt Holz – was macht diesen Baustoff aus?

Holz ist ein wunderbarer Baustoff, der in den letzten Jahren eine Renaissance erfährt. Die Tragkonstruktion besteht teilweise sogar aus berindetem Holz, das somit geringstmöglich bearbeitet ist. Auch das Stroh und der Lehm der Wände wurden kaum prozessiert. Somit erreichen wir einen extrem geringen Bearbeitungsgrad und am Ende der mindestens 100-jährigen Lebenszeit wird das Haus mit ebenso wenig Aufwand zu Kompost.

Was wird in Zukunft mit dem EinBaumHaus passieren?

Der Prototyp am Weissensee wird immer etwas Besonderes bleiben. Er soll auch noch in 100 Jahren als Ausflugsziel und als Zeugnis des ökologischen Wandels gelten.